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Seien Sie ein strategischer Einkäufer!

Die Aufteilung des Einkaufs in operative, taktische und strategische Aufgaben ist weder wissenschaftlich exakt noch einheitlich unter Einkäufern. Dabei ist die Unterscheidung zwischen operativem Einkauf (Schwerpunkt auf termingerechte Lieferungen in richtiger Menge und Qualität) und taktischem Einkauf  (Preisoptimierung) eher unkompliziert. Prozessorientierte Menschen sprechen von „Procure-to-Pay“ (operativer Prozess) und „Source-to-Contract“ (taktischer Prozess), was sehr deutlich macht, wo der Unterschied und die Schnittstelle liegen.

Aber was ist strategischer Einkauf und wie unterscheidet er sich von den beiden zuvor Genannten? Eine einfache Erklärung basiert auf dem zentralen bearbeiteten Element, welches einen solchen Einkaufsprozess durchläuft: Beim operativen und taktischen Einkauf handelt es sich um konkrete Bedarfe (Rohstoffe, Dienstleistungen, Maschinen usw.). Der interessante Aspekt strategischer Einkaufsprozesse besteht jedoch darin, dass diese von den konkreten Bedarfen losgelöst sind. Man könnte sie daher auch als „Meta-Prozesse“ des Einkaufs bezeichnen.

Einige dieser rein strategischen Prozesse kombinieren wir unter dem Dach des „Lieferanten-(Lebenszyklus-)Management“ (kurz: LLM, engl. Supplier Lifecycle Management), bei dem der Lieferant als solcher zum zentralen bearbeiteten Element wird.

Was ist LLM?

Das Hinzufügen des Begriffs „Lebenszyklus“ (viele Unternehmen verwenden nur „Lieferantenmanagement“, meinen aber im Grunde dasselbe) ist der Schlüssel, um alle lieferantenorientierten Prozesse in einer einfach zu verstehenden Struktur zusammenzuführen. Die Begleitung eines Lieferanten entlang seiner Kundenbeziehung (daher: Lebenszyklus) ergibt ein logisch konsistentes Prozessmodell.

Entlang dieses Modells verfolgen wir einen neuen (potenziellen) Lieferanten vom Eingangsprozess (phase-in) über die tatsächliche Teilnahme am operativen / taktischen Einkauf bis hin zu einer möglichen Trennung (phase-out) oder aber einer konstruktiven Weiterentwicklung. Dabei konzentrieren wir uns auf eine Reihe rein strategischer Aktivitäten, die als Zyklus zu verstehen sind, bestehend aus Dokumentation, Performance-Steigerung, Risikomanagement und dem Anstoßen gemeinsamer Maßnahmen, um den Mehrwert des Lieferanten für unser Unternehmen zu erhöhen. Erwähnenswert ist auch eine zentrale Überwachung und Steuerung (monitoring), da eines der Hauptziele von LLM darin besteht, bessere Transparenz über und besseren Zugang zur „Lieferantenbasis “ zu gewinnen.

Ein typischer Zeithorizont für diesen LLM-Zyklus ist ein Jahr. Aufgrund unterschiedlicher Reife dieser Prozesse und der verfügbaren Ressourcen für LLM führen unterschiedliche Unternehmen diesen Zyklus jedes Jahr bei mehr oder weniger Lieferanten durch.

Was sollten Sie im LLM erreichen?

Nochmals verdeutlicht: operativer Einkauf ist die sofortige Erfüllung der Nachfrage durch einen externen Lieferanten; der taktische Einkauf schafft die Grundlage für den operativen Einkauf durch die Optimierung von Preisen und Konditionen; der strategische Einkauf wiederum bereitet die Basis für beide, indem er Wissen und Transparenz, strategische Rahmenbedingungen, Organisationsstrukturen, Spezifikationen und nicht zuletzt die Beziehung zu Lieferanten optimiert: dieser letzte Beitrag ist LLM.  LLM unterstützt Einkaufsprozesse durch folgende Aktivitäten:

  • Finden der richtigen Lieferanten und Aufbau einer systematischen Verbindung
  • Definition, welcher Lieferant für welche Bedarfe am besten geeignet ist (qualitativ und quantitativ)
  • Dokumentation und Ablage von Verträgen, Konditionen und Projekten in einem transparenten, standardisierten und verfügbaren Format
  • Vorbereitung der Lieferanten auf andere Einkaufsprozesse, z. B. durch die Übermittlung von Forecasts, die Integration in E-Tools usw.
  • Entscheidung, ob Lieferanten die erwartete Anforderung erfüllen (Aktualität, Preisgestaltung, Qualität, Service)
  • Bewertung der Risiken in Zusammenhang mit Lieferanten (z. B. zu wenige, zu viele, unfähige oder unwillige Lieferanten usw.)
  • Kündigung von Beziehungen zu unerwünschten Lieferanten (z. B. im Fall von zu geringer Leistung, zu hohem Risiko oder einfach zu geringer Wertschöpfung)
  • Entwicklung der gewünschten Lieferanten, um leistungsfähiger oder weniger riskant zu werden

Was macht LLM so schwierig?

LLM ist sicher eine komplexe Methodik des Beschaffungsmanagement, die Fachwissen, Erfahrung, Tools und die Fähigkeit erfordert, gute Ideen zu haben und sie in tatsächliche Veränderungen umzusetzen. Auf der anderen Seite sind viele Probleme, die LLM sichtbar macht, und die möglichen Lösungen für diese Probleme sehr typische Managementaufgaben, bestehend aus Datenanalysen, Kommunikation, Einführung neuer Tools und Prozesse sowie der Eliminierung anderer. Ein Muster, das wir bei unseren Kunden eindeutig sehen, ist, dass kleine Unternehmen in der Regel zu wenige Ressourcen für LLM bereitstellen, während große Unternehmen die Aufgaben von LLM auf zu viele Schultern verteilen.

Wenn ehrgeizige Beschaffungsmanager in kleinen und mittleren Unternehmen einen strategischeren Beschaffungsansatz anstreben, indem sie Zeit auf LLM verwenden, sind sie häufig durch die verfügbaren Ressourcen begrenzt – quantitativ und qualitativ. Eine schlechte, aber logische Konsequenz ist, dass diese Unternehmen LLM auf ein absolutes Minimum kürzen und es in den operativen oder taktischen Einkaufsprozess „stopfen“. Dies übt nicht nur zusätzlichen Rationalisierungsdruck auf LLM aus, sondern beeinträchtigt auch den zugrunde liegenden operativen Prozess, was wiederum zu Verzögerungen und Fehlern führt. Auf diese Weise beginnt ein Teufelskreis, der zu einer immer stärkeren Reduzierung der LLM-Aktivitäten und einer insgesamt immer schlechteren Reputation aller strategischen Prozesse führt. Kleine Unternehmen haben oft Mühe, den Wert der strategischen Beschaffung überhaupt zu sehen und nicht als bloßen „Verwaltungsakt“ zu interpretieren. Daher muss eine typische Beschaffungsstrategie für ein kleines / mittleres Unternehmen heute in der Tat strategische Elemente fördern und damit einhergehend operative Effizienzsteigerungen und die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter vorantreiben.

Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich in großen Unternehmen viele hoch spezialisierte Abteilungen oder Funktionen mit spannenden Namen wie „Procurement Excellence“, „Supplier Development“, „Corporate Risk Management“, „Master Data Management“, „ Procurement Engineering“ usw. Darüber hinaus erledigen traditionelle Organisationseinheiten wie IT, Recht und Controlling typische LLM-Aufgaben. Diese Tatsache führt in der Regel zu Doppelarbeiten, nicht wertschöpfenden Aktivitäten und dem Verlust der Gesamtsicht auf den LLM-Zyklus, die erforderlich wäre, um optimale Entscheidungen zu treffen:  Investitionen in die richtigen Tools, Entwicklung der gesamten Lieferantenbasis und tatsächliche Transparenzgewinne im gesamten Prozess.

Eine vorteilhafte Beschaffungsstrategie für solche (größeren) Unternehmen muss eine Konsolidierung und Harmonisierung der Aktivitäten und wirksame Kooperationsmodelle für all diese Akteure anstreben, die in der Regel unterschiedliche Hintergründe (technische, rechtliche, kaufmännische) haben und möglicherweise sogar in verschiedenen Ländern oder juristischen Einheiten operieren.

Wie kann LLM einfacher gelingen?

Strategischer Einkauf im Allgemeinen und LLM im Besonderen sind derzeit ein boomendes Feld für IT- und andere spezialisierte Dienstleister. SAP investierte 2018 etwa 1 Milliarde Euro pro Monat (!) in sein Flaggschiffprodukt S4 / HANA und damit auch in eine ganz eigene strategische Vision der zukünftigen Einkaufsprozesslandschaft. Aber nicht nur große Player, sondern auch eine ganze Reihe von Start-ups (die meisten davon sind stark IT-orientiert) erkennen den Einkauf als Zielfeld für neue Produkte und Dienstleistungen an. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter österreichischen Einkäufern lieferte einen guten Marktüberblick über Anbieter und Lösungen, die derzeit proaktiv am österreichischen Markt auftreten. Wir haben diese Produkte und Anbieter in vier Hauptkategorien unterteilt, die sich nicht zu 100% gegenseitig ausschließen, da einzelne Anbieter möglicherweise Funktionen aus mehr als einer Kategorie abdecken. Die folgenden vier Kategorien ordnen die vorhandenen Anbieter, welche wir auf dem österreichischen Markt sehen und sollten somit auch eine gute Referenz für einen breiteren (z.B. den westeuropäischen) Markt sein.

  • ERP-Systeme sind die absolute Basis für jede Transparenz und liefern die wertvollsten internen Daten für Beschaffungsanalyse, -verwaltung und -optimierung
  • Einkaufs-Suiten erweitern in der Regel die Funktionalität von ERP-Systemen, um Prozesse für Benutzer stabiler, konformer und einfacher oder komfortabler zu gestalten
  • Spezialisierte Software deckt Aspekte oder Teilprozesse von LLM ab und kombiniert oft die rein technische Funktionalität durch fachliche Inhalte in einem engen Bereich (z.B. Risiko)
  • Dienstleister bieten „Business Process Outsourcing“ für bestimmte LLM-Aufgaben an; die meisten von ihnen verwenden digitale Methoden, um effizienter und effektiver zu sein

Sehen Sie sich diese Indikatoren für Ihr eigenes Unternehmen an und vergleichen Sie sie mit Wettbewerbern oder strukturell ähnlichen Unternehmen – dies ist der perfekte Einstieg in gutes LLM! Wenn Sie diese Analysen durchführen und Initiativen auf der Grundlage dieser Zahlen ableiten, betreiben Sie bereits hoch relevantes, effektives und strategisches Beschaffungsmanagement.

 

Boris Blazej, Supply Chain Partners

Fazit: Starten Sie mit LLM durch und lösen Sie damit viele typische Herausforderungen im Einkauf nachhaltig!

Alle Schwachpunkte im Einkauf führen letztendlich entweder zu höheren Kosten, längeren Vorlaufzeiten oder schlechterer Qualität. Diese Konsequenzen sind jedoch in der Regel durch viele Einflussfaktoren bedingt, und somit nicht einfach zu isolieren oder messen. Und selbst wenn die Ursachen offensichtlich sind: Was sollte man unmittelbar tun, um sich nachhaltig und strukturell zu verbessern? Helfen können hier so genannte „Vorsteuergrößen“, um den Beitrag von guten oder schlechten Prozessen auf Kosten, Zeiten und Qualitäten zu identifizieren. Für LLM schlagen wir drei relevante Indikatoren für einige weit verbreitete Ursachen vor:

  1. (Zu) viele Personen werden auf LLM-Prozessen eingesetzt – steht oft stellvertretend für: zu viele Lieferanten, nicht wertschöpfende Aktivitäten, Doppelarbeiten, niedrige Automatisierungsrate
  2. Hohe Quote an (hausgemachten) Monopol-Lieferanten – wird wahrscheinlich lieferantenbezogene Risiken oder nicht wettbewerbsfähige Preise verursachen
  3. Geringe Liefertreue (Zeit, Qualität) und hohe lieferantenbedingte Schäden – denken Sie an: zu hohe Anforderungen, falsche Lieferantenbasis (Lieferanten können oder wollen nicht besser), fehlende oder schwache LLM-Prozesse – insbesondere Lieferantenentwicklung und Risikomanagement