Wie können Bestandsreduktionen von 60 – 70% und gleichzeitig Sachkostenreduktionen von bis zu 20% in ausgewählten Warengruppen bei gleichbleibender Verfügbarkeit erreicht werden? Die Lösung klingt zunächst recht einfach. Die Hürden treten erst in der Umsetzung der einzelnen nachstehenden Schritte zu Tage. Hierfür benötigt es neben dem profunden fachlichen Wissen auch tiefgehendes technologisches Know-how, um pragmatische und individuelle Lösungen zu entwickeln.

Die nachhaltige Reduktion der Bestände sollte den gleichen Stellenwert wie die Realisierung von Quick-Wins einnehmen – Dank moderner IT-Tools heute kein Problem mehr

Christopher Zimmermann, Supply Chain Partners

Strategie entwickeln und Ziele definieren

Die Entwicklung einer gemeinsamen Ersatzteilstrategie ist ein wichtiger Schritt, um den Zielzustand und den Weg dorthin eindeutig zu definieren. Die Roadmap sollte immer in cross-funktionalen Workshops (Lager, Instandhaltung, Einkauf, Finanz) entwickelt werden, wodurch ein Silodenken einzelner Abteilungen aufgebrochen und gemeinsame Ziele verfolgt werden können. Häufige Ziele sind die Bestände zu senken, die Verfügbarkeit zu erhöhen oder durch Standardisierung die Komplexität und Teilevielfalt zu reduzieren. Mit Fortführung des Projektes sollten die Teilnehmer der Workshops – neben der Umsetzung der Maßnahmen – auch an der Akzeptanz im Gesamtunternehmen arbeiten und somit deren Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöhen.

Datenqualität verbessern und Stammdaten anreichern

„Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts“ – So oder so ähnlich heißt es häufig. Die Qualität der Daten hat einen großen Einfluss auf die Erkenntnisse und Maßnahmen, die aus diesen Daten abgeleitet werden können. Durch spezifische Bezeichnungen (Typenbezeichnungen, Dimensionen, Artikelcodes…) und deren Fehleranfälligkeit kommt es im Ersatzteilbereich häufig zur Doppelanlage gleicher Artikel, die sich im System oft nur durch einzelne Buchstaben, Zahlen oder Symbole unterscheiden. Lösung ist der Einsatz von Algorithmen zur Identifikation und Bereinigung solcher Doubletten. Dies beinhaltet ebenfalls die Konsolidierung über unterschiedliche Sprachen hinweg. Gleichzeitig sollten unvollständige Stammdaten um Zusatzinformationen (sog. Attribute, z.B. Schichtdicke, Material, Zusammensetzung, Gefahrenklasse, …) angereichert werden. Diese Informationen sind ebenfalls im Einkauf essenziell, um in Katalogen und Preislisten die richtigen Artikel und letztlich geeignete Lieferanten zu identifizieren und somit richtig einzukaufen.

Transparenz schaffen und vorhandene Informationen nutzen

Der nächste wesentliche Schritt, um messbare Ergebnisse zu erzielen, ist die Strukturierung und Analyse der vorhandenen Informationen. Wesentlich hierfür sind die tatsächlichen Verbräuche und Bestände, um nicht alle Ersatzteile gleich zu behandeln. Die Berücksichtigung des tatsächlichen Verbrauchs hilft, nicht den Fokus zu verlieren und materialspezifische Verbrauchskennzahlen abzuleiten. Nach der Ableitung von Verbrauchskennzahlen (=VBK) erfolgt die individuelle Optimierung der jeweiligen Kategorie.

Für Materialien deren Verbrauchskennzahl beispielsweise klein ist, könnte ein oft verfolgter Ansatz sein, Beschaffungs- und Logistikprozesse möglichst zu automatisieren und in ein Konsignationslager zu überführen. Die positive Konsequenz für die Ressourcen der beteiligten Personen ist, dass mehr Zeit für taktische Tätigkeiten bleibt.

„Quick-Wins“ können durch Umlagerungen erreicht werden, indem Artikel mit hoher VBK dahin umgelagert werden, wo sie tatsächlich gebraucht werden. Nicht selten sehen wir in unseren Projekten daraus unmittelbare Einsparungen von mehr als 100 TEUR. Ersatzteile, die vorher ohne Wissen des Anforderers an einem anderen Ort im Unternehmen vorhanden waren, können so genutzt werden und müssen nicht neu eingekauft oder später teuer entsorgt werden. Dies sind nur zwei Beispiele, die den unmittelbaren Mehrwert der strukturierten Nutzung vorhandener Informationen aufzeigt.

Kontinuierliche Verbesserung und Prozessstabilität gewährleisten

Nachdem die ersten Potentiale gehoben wurden, muss gewährleistet werden, dass die neuen Prozesse eingehalten werden und kein neuer Bestand aufgebaut wird. Hierzu gilt es jedem Prozessbeteiligten und jeder Hierarchiestufe die für ihn/sie benötigten Informationen zur Verfügung zu stellen. Damit das Ersatzteilmanagement dauerhaft im 21. Jahrhundert ankommt und die erreichten Veränderungen und Verbesserungen erhalten bleiben und nicht vom Tagesgeschäft allmählich wieder rückgängig gemacht werden, sollten regelmäßige Monitorings/Reviews stattfinden und vorhandene Informationen und Kennzahlen – transparent dargestellt – die Grundlage für künftige Steuerungsaktivitäten bilden. Zusätzlich sollten Führungsroutinen entwickelt werden, die eine nachhaltige Verankerung und Stabilisierung der neuen Prozesse bei allen Beteiligten gewährleistet.

Bei richtiger Durchführung aller oben genannten Schritte mit dem notwendigen Wissen und Verständnis für die betroffenen Menschen, Prozesse und Technologien können vermeintlich gegenläufige Ziele wie geringe Bestände bei gleichzeitig hoher Verfügbarkeit und geringen Beschaffungskosten nachhaltig erreicht werden. Viele Erfolgsgeschichten in der Industrielandschaft und unsere Projekterfahrungen belegen das und zeigen darüber hinaus, dass sich die Investitionen in fachliche Beratung und IT-Tools durch die Realisierung von Quick Wins gerade im Ersatzteilbereich stets rechnen und nachhaltige Einsparungen erzielt werden können.