Warum wird das Ersatzteilmanagement häufig als Stiefkind im Unternehmen behandelt und wie in den 80er Jahren gemanagt?
Die Bestandskosten sind zu hoch, der Lagerplatz ist knapp und gleichzeitig ist das benötigte Ersatzteil trotzdem nicht auf Lager – oder nur nicht auffindbar? Eines oder die Kombination dieser Probleme kennt jeder Facility Manager oder Lagerleiter und die gleichzeitige Lösung nimmt einen großen Teil der täglichen Arbeitszeit ein.
Doch warum sind diese Probleme besonders im MRO-Bereich (Maintenance, Repair und Operations; dt. Wartung, Instandhaltung) eher der Standard als die Ausnahme? Und welchen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es? In der Praxis beobachten wir immer wieder die gleichen Ursachen, die zur beschriebenen Situation führen:
- Fehlende Priorität der Weiterentwicklung des MRO-Bereichs
- Große Heterogenität und hohe Anzahl unterschiedlicher Artikel
- Ungenügende Datenqualität
- Wenig Abstimmung und Silodenken
- Unterschätzter Schaden und überschätzter Lösungsaufwand
Die Komplexität im Ersatzteilmanagement ist beherrschbar – meist werden größere Potentiale gehoben als erwartet.
Fehlende Priorität der Weiterentwicklung des MRO-Bereichs
Eine der Kernursachen, warum der Ersatzteilbereich häufig wie in den 80er Jahren gemanagt wird, ist schlichtweg die unzureichende Priorität, mit der dieser Bereich in der Vergangenheit weiterentwickelt wurde. Zusätzlich macht dieser Bereich einkäuferisch nur einen kleinen Teil des gesamten Einkaufsvolumen aus und der Fokus liegt in der Regel auf dem direkten Bereich. Gibt es eine unternehmensweite Strategie für die Bevorratung und Beschaffung von Ersatzteilen? Wurden Projekte zur Digitalisierung im MRO-Bereich aktiv vorangetrieben? Lauten die Antworten nein, überwiegt auch heute der Anteil des operativen „Trouble-Shootings“ in der täglichen Arbeit und für Verbesserungen blieb und bleibt keine Zeit.
Große Heterogenität und hohe Anzahl unterschiedlicher Artikel
Eine weitere Ursache liegt in der schieren Anzahl unterschiedlicher Artikel und Lieferanten im Ersatzteilbereich. Die große Variantenvielfalt der benötigten Artikel erschwert eine strukturierte Übersicht und Transparenz der Bestände und Verbräuche. Eine unternehmens- oder standortübergreifende Klassifizierung der Verbräuche ist zeitlich aufwendig, fachlich komplex und benötigt Unterstützung intelligenter IT-Lösungen. Die fehlende Transparenz führt dann oft unweigerlich dazu, dass „zur Versorgungssicherheit“ kleinere Lager am Ort des Verbrauchs entstehen und Artikel im Zentrallager nicht verbraucht werden und verstauben.
Ungenügende Datenqualität
Eine ungenügende Datenqualität ist in vielen Unternehmensbereichen problematisch. Dies gilt insbesondere für den MRO Bereich und erschwert eine hohe Transparenz in erheblichem Ausmaß. Duplikate in den Stammdaten und unzureichende Artikelinformationen erschweren eine verbrauchsgerechte Beschaffung und Bevorratung und erhöhen die Anzahl unterschiedlicher Artikel „virtuell“ weiter.
Wenig Abstimmung und Silodenken
Die vierte Ursache liegt in der Anzahl unterschiedlicher interner oder externer Schnittstellen und Stakeholder, die den MRO-Bereich berühren oder mit ihm interagieren. Zusätzlich verfolgen die involvierten Stakeholder meist gegenläufige Ziele. Während die Finanz daran interessiert ist die Bestände aus Kostengründen möglichst gering zu halten, der Einkauf möglichst geringe Sachkosten generieren will (zB durch die Bestellung größerer Mengen), muss die Instandhaltung gleichzeitig eine hohe Verfügbarkeit unter Berücksichtigung des verfügbaren Platzes gewährleisten. Als Ergebnis fehlt das gemeinsame Ziel und jeder optimiert seinen eigenen Einflussbereich, ohne zu hinterfragen, wie das eigene Handeln die Ziele anderer Stakeholder beeinflusst oder deren Arbeit erschwert.
Unterschätzter Schaden und überschätzter Lösungsaufwand
Letztlich wird der Schaden, den ein suboptimales Ersatzteilmanagement verursacht, gerne unterschätzt. Der tatsächliche Schaden ergibt sich u.a. als zu hoher Lagerstand (physisch), hohe Abwertungs- und Entsorgungskosten, und weniger messbar: der manuelle Aufwand des „fire fighting“, oftmals die einzige verbliebene Aufgabe des betroffenen Mitarbeiters. Unterschätzt wird dieser Aufwand, da er gerne dem schwerwiegenden Ereignis eines Produktionsstillstands durch nicht verfügbares Material entgegengestellt wird. Umgekehrt wird das notwendige „Aufräumen“ und die Einführung sauberer, transparenter und stabiler Prozesse als viel zu aufwendig wahrgenommen. Ursache dafür ist, dass es für derartige Projekte spezieller Skills und Tools bedarf, die nicht immer und überall verfügbar oder bekannt sind.
Der Ausweg aus diesem Dilemma
Für die oben genannten Ursachen gibt es glücklicherweise Lösungsstrategien. Unsere Projekte zeigen, dass Lagerbestände um bis zu 60% gesenkt werden können, und gleichzeitig eine hohe Verfügbarkeit gewährleistet werden kann. Durch diese Optimierung wird als „Nebeneffekt“ zusätzliche Zeit für taktisch, strategische Arbeiten gewonnen und ein unternehmensweiter Austausch von Ersatzteilen und Wissen forciert. Zusätzlich kann durch Konsolidierung eine Sachkostenreduktion von bis zu 20% erreicht werden. Als Ergebnis stellt sich schnell ein positiver ROI (Return of Investment) in jedem dieser Projekte ein.
Der nächste Teil der Artikelserie wird sich dem Thema widmen wie diese Ergebnisse erzielt werden können und welche Lösungsstrategien es dazu gibt.