In den vorangegangenen drei Artikeln widmeten wir uns anfänglich dem Prozess der Auftragserteilung, danach den unterschiedlichen Möglichkeiten und Ausprägungen von Transportsystemen und zuletzt der unverzichtbaren Rolle von Transparenz zur effektiven Steuerung und Optimierung des Transportmanagements. In diesem vierten Teil der Serie beschäftigen wir uns nun mit den Herausforderungen der Transportlogistik zu angrenzenden internen oder externen Leistungspartnern.
Vor allem im Zuge von bereichs- oder unternehmensübergreifenden Prozessschritten können – bei fehlender ganzheitlicher Betrachtung – Probleme in den Schnittstellen entstehen, die im schlimmsten Fall zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation führen. In der Folge werden neue Strukturen und Prozesse nicht gelebt und der ursprüngliche Status Quo fortgesetzt, ohne die Probleme gelöst zu haben.
Einige dieser Herausforderungen zeigten sich mehrfach in unterschiedlichen Projekten und ihre Auswirkungen sollten vor einem Eingriff in das Transportsystem unbedingt analysiert und beachtet werden:
Bereitstellung und Verladung
Asynchrone Deadlines
Ein Klassiker, den wohl jeder Disponent kennt, ist der Anruf des Vertriebs nach dem täglichen Auftragsschluss. Dem zuletzt bestellten Artikel wird dann die höchste Priorität beigemessen und muss daher noch am selben Tag ausgeliefert werden. Im Alltagsgeschäft wurden hierfür informelle Prozessvarianten entwickelt, in denen durch den persönlichen Einsatz einzelner Mitarbeiter der Regelprozess umgangen wird und die Auslieferung der Artikel noch rechtzeitig ermöglicht wird. Nehmen diese „Ausnahmen“ unkontrolliert zu, führt dies mittelfristig zu Spannungen mit internen Stakeholdern (zB Vertrieb) oder externen Dienstleistern.
Kernursache für diese Spannungen sind oft asynchrone Deadlines zwischen der Bereitstellung, der Verladung und der Auftragsannahme. Aufträge außerhalb von Deadlines (und deren Folgeauswirkungen) sind für das eigene Unternehmen sehr teuer, da es unmittelbar zu Mehrarbeit und Wartezeiten von internen oder externen Leistungspartnern kommt. Mögliche weitere Auswirkungen sind dann die Nicht-Einhaltung von Anlieferzeitfenstern beim Endkunden und mögliche weitere kostenintensive Wartezeiten.
- Grundsätzlich sollten aktuelle Deadlines dokumentiert und transparent an alle internen und externen Prozessbeteiligten kommuniziert werden, um ein höheres Bewusstsein für den Gesamtprozess zu schaffen. Ein Tracking von KPIs zur Einhaltung dieser Deadlines und die konsequente Ableitung von Maßnahmen bei Nichteinhaltung reduziert das Auftreten und die Häufigkeit von Überschreitungen, so können mittelfristig die Spannungen zwischen den Prozessbeteiligten reduziert werden. Bei Änderungen im Transportsystem ist es für eine erfolgreiche Umsetzung zusätzlich unbedingt erforderlich möglichst früh alle internen und externen Leistungspartner einzubeziehen, um asynchrone Deadlines bereits vor ihrer Entstehung zu vermeiden.
Ungenügende Steuerung & Priorisierung des internen Materialflusses
Die Steuerung und Planung der internen Materialflüsse sind unerlässlich, um eine synchrone Bereitstellung von Waren und Materialien für den Transport zu gewährleisten. Beim Transport mehrerer Halbfabrikate an nachgelagerte Produktionsstätten, muss sichergestellt werden, dass die Halbfabrikate unterschiedlicher Produktionslinien synchron in der Verladung & Bereitstellung eintreffen. Wird dies nicht gewährleistet, werden nur einzelne Halbfabrikate versendet, die im Zielort zunächst Aufwand in der Produktionsplanung erzeugen und (da sie isoliert nicht weiterverarbeitet werden können) zu höheren Lagerbeständen führen.
Eine ähnliche Problemstellung entsteht im B2C Bereich in der Kommissionierung und ggf. Verdichtung von mehreren Kundenaufträgen zu einer konsolidierten Lieferung. Oft erfolgt diese Verdichtung/ Kommissionierung ungesteuert und zufallsgetrieben. Sind die individuellen Freiheitsgrade zu groß und erfolgt dort keine Steuerung nach klar messbaren Kriterien (zB Zeitstempeln oder geografischer Lage des Empfängers), werden „unbeliebte“ Aufträge (schwer, unhandlich, fragil) immer weiter verschoben. Am Tagesende kommt es somit zu Spitzen und Ressourcen-Engpässen, sodass Touren in weit entfernte Liefergebiete aufgrund von Einzellieferung nicht oder verspätet starten können.
- Ein regelmäßiges Controlling von Durchlaufzeiten bei Halbfabrikaten (inkl. einer Abweichungsanalyse mit Hitlisten) ermöglicht es eine asynchrone Bereitstellung frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, um diese vor ihrer Entstehung zu verhindern. Zusätzlich sollten im Lager die Freiheitsgrade reduziert und klare Regeln zur Abarbeitung von Kommissionieraufträgen definiert und kommuniziert werden.
Fehlende Berücksichtigung des operativen Ablaufes im Layout der Bereitstellungsplätze
Um generell lange Wegstrecken oder einen erhöhten Suchaufwand in der Verladung zu reduzieren, kann eine Änderung der Bereitstellungslogik von einer kundenspezifischen zu einer tourenspezifischen Bereitstellung durchgeführt werden. Bei dieser Änderung kommt es häufig zu sehr sichtbaren Problemen im Lager. Werden neue Bereitstellungsflächen nicht definiert und ausgezeichnet, stellen kommissionierte Paletten schnell die Gänge und Zufahrtswege zu. Zusätzlich wird das Lagerpersonal vorab nicht ausreichend informiert und geschult. Ein weiteres Problem entsteht, wenn keine stabile Planung und rechtzeitige Hochrechnung der Volumina je Tour möglich sind. Vor der Abfahrt kann dann keine tatsächliche Kommissionierung und Bereitstellung mehr durchgeführt werden. Ergebnis daraus ist, dass Touren nicht rechtzeitig verladen werden oder externe Dienstleister nur Teillieferungen in den Hauptlauf einspeisen können.
- Bei Änderungen sollte zunächst eine rechtzeitige Schulung des Lagerpersonals auf neue Prozesse und für eine Auszeichnung neuer/geänderter Bereitstellungsflächen vor der Pilotierung oder dem Go-Live gesorgt werden. Für die rechtzeitige Bereitstellung muss außerdem die Tourenplanung vor der eigentlichen Kommissionierung fertiggestellt werden. Um diese Planung mit einer ausreichend hohen Stabilität durchzuführen, ist eine gute Verfügbarkeit von Stammdaten essenziell.
Entladung
Fehlende Kenntnisse zu Kostentreibern
Projekterfahrungen zeigen, dass beim Versuch der Optimierung der direkten Transportkosten die Transparenz nachgelagerter Prozessschritte oft eine zu geringe Berücksichtigung finden. Die verursachungsgerechte Zuordnung der gesamten Transportkosten wird neben der Distanz und dem gebundenen Transportraum auch von der Dauer der Entladung beeinflusst. Diese ist hauptsächlich vom transportierten Produkt und den jeweiligen Rahmenbedingungen bei der Entladung geprägt. Handelt es sich bei den transportierten Produkten nicht um „einfaches“ Stückgut oder sind besonders schwer erreichbare Zielorte vorgesehen, erzeugen die Anforderungen zusätzlichen Aufwand, und werden zu einem entscheidenden Treiber der Transportkosten.
Fährt das Fahrzeug von A nach B und damit ist die Leistung erbracht oder wird mehr gefordert? Wird eine Ladebordwand für die Entladung benötigt oder wird an eine Rampe angedockt? Wird ein Kranfahrzeug benötigt oder genügt ein Planenfahrzeug? Hat der Kunde Anlieferzeitfenster oder ist die Ankunftszeit großzügig bemessen? All diese Faktoren haben Einfluss auf den Aufwand und somit auf die Kosten.
Noch größere Kostenblöcke können entstehen, wenn weitere Zusatzleistungen erforderlich sind. Ein Beispiel hierfür wäre der Transport über Bordsteinkanten und Türschwellen hinweg, teilweise an schwer zugängliche Zielorte oder mit Hindernissen wie Treppen oder sonstigen Niveauunterschieden.
Zu einem tatsächlichen Problem werden sämtliche Zusatzleistungen dann, wenn keine ausreichende Transparenz zum vorhandenen Bedarf besteht und eine Verrechnung nach Aufkommen bei nur schwer nachvollziehbarem Aufwand stattfindet. Dieses Informationsungleichgewicht kann zu Spannungen zu Drittanbietern bzw. falschen Entscheidungen im vorgelagerten Selektions- und Vergabeprozess führen, da diese Kosten im angestrebten Vergleich nicht mitberücksichtigt wurden. Zudem begibt man sich als Bezieher dieser Leistungen in eine schlechte Verhandlungsposition für die nächste Ausschreibung der Leistungen, was wiederum zu höheren zukünftigen Kosten führen kann. Wird bei der Beauftragung dann immer das Servicepaket mit dem größten Leistungsumfang („Premiumpaket“) bestellt und der Auftrag nicht detailliert genug formuliert, sind die daraus resultierenden Gesamtkosten besonders hoch.
- Um diese drohende Kostenerhöhung in den Griff zu bekommen benötigt es einiger Vorarbeit. Zunächst sollte eine vollständige Transparenz zum eigentlichen Bedarf der benötigten Leistungen entwickelt werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse können Abläufe und der Bedarf gemanagt bzw. optimiert werden. Zudem sollte dieser Bedarfskatalog immer ein Teil der Ausschreibung als auch der Vereinbarungen mit den Drittanbietern sein, um wettbewerbsfähige Preise zu erhalten und vertraglich abgesichert zu wissen. Je weniger Ungleichgewicht an Information zwischen den Parteien herrscht, desto fairer kann eine Partnerschaft funktionieren. Zusätzlich ist die Formulierung des genauen Bedarfes (inkl. aller relevanter Informationen zu Zusatzleistungen) im einzelnen Auftrag im Anschluss unumgänglich, damit eine bedarfsgerechte und kostenoptimale Beauftragung erfolgen kann.
Im nächsten Artikel beschließen wir die Serie der Transportlogistik mit einem Einblick in unterschiedliche Transportsysteme, die ein effizientes operatives Handeln ermöglichen, die Transparenz erhöhen und bei der Analyse und Optimierung von Prozessen unterstützen können.